Ausführliche Klage des Obervorstehers von Stamford über Pfarrer Christian Christoph Soldan im Zusammenhang mit der Einsetzung eines neuen Vorsingers
„Gehorsamer Bericht.

Viel, recht viel Ueberwindung gehört dazu, auch sich über das nie aufhörende unschickliche, sonderbare und höchst unruhige Betragen des Pfarrers Soldan gegen mich nicht empfindlich zu werden und es ihm bey jeder andern Gelegenheit zu fühlen zu geben. Da jedoch dieses Mittel gegen solche Zudringlichkeiten, die an Unbescheidenheit und Unart grenzen, mein Herz ver[??] und mich zu rächen nicht in meinem Character liegt, so habe ich diesen hochmühtigen Mann bisher mit Höflichkeit, ja bey manchen Gelegenheiten mit Güte überhäuft. Statt mir aber Danck dafür zu wissen, scheint er in seinem geistlichen Stoltz fälschlich zu wähnen, als widerführe ihm nur das, was ihm gebüre.
Wegen der verhaßten Vorsinger-Geschichte fieng er mit dem Hospital einen Process ohne Noth an, klagte gleich ohne mir nur vorher mündlich oder schriftl[ich] ein einiges Wort zu sagen, gewann diesen Rechtsstreit gegen das Institut, wobey er aber sich selbst sehr viel vergeben hat, indem F[ürstliches] Consist[orium] verlangt, daß ihm jederzeit ein neues Subject vorgeschlagen werden soll, statt daß vorher der zeitige Obervorsteher und der Pfarrer beym Abgang eines Vorsingers wegen der Anstellung eines andern Hospitaliten zu dieser Funktion das Nöthige dazu verabredeten und besorgten, der Pfarrer wählte sich nehmlich einen aus der Zahl der Präbendarien, wie solches seit unfürdenklichen Zeiten geschehe. Hierauf erbath er sich die Genehmigung des Obervorstehers, daß der Hospitalit dazu gebraucht werden dürfte. Und dieser verordnete sodan demselben zur Aufmunterung die Kranckenkost. Vor sehr langen Jahren fandt sich kein taugliches Subject unter den hiesigen Hospitaliten. Pf[arrer] Soldan schlug meinem Vorfahr dem Gen[eneralmajor] v[on] Haller einen nahmens Immel zum Vorsinger vor. Da nun dieser dergleichen für sich nicht thun dürfte, frug er bey beyden gnädigsten Herrschaften darum devotest an: ob er einen Fremden annehmen dürfte? Erst nach mehreren Berichten hin und her, nachdem er sogar hatte einberichten müßen, ob denn der reformirte Vorsinger, welches ebenfalls ein Hospitalit war, dazu nicht adhibirt werden könte, wurde gnädigst zugestanden, oberwehnten Immel annehmen zu dürfen. Dem dann Gen[eral] Major v[on] Haller die Krankenkost reichen, aber auch in die Zahl der Hospitaliten setzen ließ, und zwar ganz natürlich aus dem guten Grunde, damit anzuzeigen, daß die Vorsinger-Stelle allhier beständig von einem Hospitalit zu versehen seye. Bey Immels Abgang wollte Pf[arrer] Soldan dem Institut einen jungen Purschen von 17 Jahren zum Vorsinger aufdringen, welches ich aber Pflichten halber um so weniger zu thun vermochte, als sich der Hospitalit Loewe allhier wohl dazu schickte, den ich also einstweilen dazu anstellte. Indeß ich diesen Vorfall an die höchsten Höfe unterthänigst berichtete, von wo mir dann die gnädigste Resolution zugieng, in dieser Einrichtung weiter fürzuschreiten. Der jezige Geheime Rath v[on] Motz, welcher als damaliger Princip-Commiss[ar] zum Bericht gezogen wurde, ließ darin die Worte einfließen: wie er devotest darauf antrage, daß es bey meiner Einrichtung zu belaßen seyn möchte. Gedächte aber der Pf[arrer] Soldan in via juris die Sache auszumachen, so stünde ihm solcher offen. Dieses hat er denn auch, ohne mich nur im Mindesten vorher davon zu avertiren, gethan. Hats aber, wie ich schon eben erwehnte, dahin gebracht, daß ein solches Subject zur Prüfung nach Marburg geschickt werden, auch sogar dem Consistorio vorgeschlagen werden soll. Welches leztere ich doch nicht verstatten kann, indem es wieder den Sinn des Bescheits in dieser Sache lauft. Daher ich dann durch den Syndicum Hofrath Wiederhold um eine Erklärung hierüber beym F[ürstlichen] Consistorio anhalten ließ, worauf aber noch keine ergangen ist.
Nachdem nun Pf[arrer] Soldan diesen Process gewonnen hatte, muste der von mir ad interim angestellte Hospitalit Loewe zu Marburg geprüft werden, der denn auch zwar gut bestanden hatte. Weil er aber weiter keine Musick verstunde, so wurde er – verworffen, welches ich mir aus guten Günden vorher schon vorstellen konnte. Jezt schlug Soldan den Schreiber des Posthalter Metzgers zu Halsdorf vor, der aber bey dem Examen zu Marburg durchfiel. Indeß der Pfarrer nun hiermit umging, hatte sich der jezige Vorsinger Jacob Kirchhaimer, der am linken Arm völlig lahm ist, dazu gemeldet. Lieblos wurde er abgewiesen. Als ichs erfahr, sah ich vorher ein, daß dieser Mensch, sobald er bey gnädigster Herrschaft um Reception unterthänigst nachsuchte, gewiß gnädigst aufgenommen werden dürfte. Weil nun dessen Zeugnisse auch überwiesen, daß er in der Musik sowohl als auch im Vorsingen geschickt seye, so hielt ichs für Pflicht, die Sache so einzuleiten, daß derselbe als Vorsinger angenommen würde. Worauf ich ihm die Krankenkost, so wie sie jezt ist, verordnete, aber auch die Behörde zugleich anwieß, demselben jährlich in Gemäßheit der zu Gronau a[nn]o 1793 der Krankenkost wegen ergangene Verord[nung] vier Rt. auszuzahlen, weil bey der jezigen wenig Fleisch gereicht wird. Es dauerte nicht lange, als der unruhige Pfarrer den Menschen zu mir gehn und von mir begehren ließ, daß ich ihm gerade so viel Fleisch auswerffen laßen möchte, als die vorige Krankenkost geliefert hätte. Ich versetzte demselben aber: daß die Vorsingerstelle keine separate Bedienung allhier seye, sondern daß er unter die Zahl der Hospitaliten gleich andre seiner Vorfahren gehöre. Daß ich ihn folglich so behandeln und ihm nicht mehr als andern reichen laßen könne. Er mögte bedenken, daß er durch meine Bemühung Zeit Lebens versorgt seye und daß er mich daher nicht gleich anfänglich schon mit bezeugter Unzufriedenheit belohnen möchte. Der gute und stille Mensch bath mich sehr, ihm solches nicht ungütig zu nehmen, versicherte mich, daß er mit allem herzlich wohl zufrieden seyn wolle. Und seitdem habe ich auch weiter nichts mehr davon gehört. Daß derselbe aber noch mehr haben, auch unter die Haußdiener gesetzt werden soll, ist alles im stoltzen Gemüthe des Pf[arrers] Soldan entstanden, der diese Stelle für immer gern so eingerichtet haben möchte, daß niemals wieder ein Hospitalit dazu gelangen könne. Wie? Es sollte sich dereinst ein Mensch scheuen, als Vorsinger sich anzustellen zu laßen, weil er unter der Zahl der Hospitaliten stehe? Ist dieses denn ehrenrührig? Ich mache mir Ehre darauf, derselben Obervorsteher zu seyn. Wären sie nicht, so brauchte man weder mich noch die ganze Dienerschaft mit dem Pfarrer gar nicht. Ich trage daher gehorsamst darauf: daß das Gesuch unter die Haußdiener den Vorsinger zu setzen, gänzlich abzuschlagen, dem guten Menschen aber zu seinem bessren Fortkommen, jedoch ohne weitere Consequenz, noch jährlich 2 [Reichstaler] weiter zu jenen 4 [Reichstalern] ausgeworffen werden mögen.
Ich habe die Ehre mich mit wahrer Ergebenheit zu nennen,
Euer Fürstl[ichen] Samt-Commission gehorsamster Stamford“
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