Obervorsteher von Schrautenbach äußert sich zu einem Bericht über die im Hospital befindlichen Rekonvaleszenten
Jahr:1750
Autor: (* - + | )
Empfänger: (* - + | )
Signatur: LWV Hessen, Bestand 13, 5934
„Ad Serenissmos utriusque Hassiae1, d[en] 23 t[en] Jan[uar] 1750.
Da mir nach meiner gn[ädi]gsten Instruction oblieget, die hohe Samthospitalien zu visitiren und dann des Ends im Monath 7br. [September] vorigen Jahrs nach Verfließung 2 Jahren abermahlen eine Reiße nach Hoffheim u[nd] Gronau vollführt.
So habe die Gnade E[uer] Hochfurstl[iche]n Durchl[auch]t gewohnl[iche]r Maaßen die unterthänigste Relation von meiner Verrichtung mittelst der Anlage Lit. A. gehorsamst einzusenden nicht ermangeln sollen. Wobey mich unter Beziehung auf deren Tenorem2 weiterem gnädigstem Verhaltungsbefehl unterthänigst unterwerffe. Und gleichwie mir auch in dem letztern Visitationsrecess demandirt3 worden, eine Specification4 von denen reconvalescenten5 Hospitaliten nebst Untersuchung derer Umständen, worin sie sich befinden, zu bewircken. Alß habe dem zufolge solche verfertigen und die Untersuchung durch verschiedene Medicos u[nd] Hospitalschirurgos vornehmen laßen. Wie solches die Anlage sub Lit. B von hier u[nd] Lit C. von Merxhausen des mehreren außweiset. Die Beylage Lit. D hingegen bezeigt, daß im Hospital Hoffheim dermahlen keine Reconvalescirte, wohl aber laut Adjuncti Lit. E dergl[eichen]n Leute sich befinden, die nicht unter die wahre Armen referirt werden mögen, sondern noch so viel in ihrem Vermögen haben, daß sie auch guten Theils außer dem Hospitals von denen Angewandten gegen daßelbe hätten verpflegt werden können. So aber diese nunmehro mit lachendem Munde zum Nachtheil so vieler armen Expectanten6, die nur dadurch zuruckgesetzt worden, an sich ziehen können, welches doch ihnen, zumahlen denen Collateralibus7, gewißlich so schlechterdings nicht zufiel, wann die Recepti in den receptionsmäßigen8 Stand nicht gekommen wäre. Ob nun nicht dem Hospital vor die Verpflegung das Vermögen so weder an Descendentes noch Ascendentes9, sondern nur bloße Collateralibus post obitum10 anheimfällt zum Besten anderen mit Schmertzen auf die Reception wartende Expectanten zuzusprechen sey, solches laße denen höchsten Herrschafften zur alleinigen gnädigsten Disposition11. Wie dann auch in Ansehung derer übrigen dem äußerl[iche]n Ansehen reconvalescirten Hospitaliten und deren Außweißung dem fernern gnädigsten Befehl mich unterthenigst submittire12, dabey jeder Pflichten halber dieses zu verschweigen nicht umbgehen kan, daß unter denen allen nicht eine eintzige Person zu finden, welche mit frohem Muth das Hospital verlaßen wird, und daß die Zeiten auch offters kommen, worin man und besonders zur Erndezeit dergl[eiche]n um so viel nöthiger hat, da man bey solcher Gelegenheit auch offters nicht einmahl Tagelöhner vors Geld bekommen kan, nicht zu gedencken, daß man im Brau- und Backhauß, Schneider- u[nd] Sockenstrickerey, Baumgarten und sonsten die reconvalescirte Brüder u[nd] Schwestern jederzeit mit Nutzen brauchen kan. Zu dem geschiehts gar offters, wie die dem Ansehen nach hergestellte Hospitaliten in ihre vorige Umstände hinwiederum gerathen, auch diejenige, welche bereits ausgewießen geweßen, hinwiederum recipirt worden sind. Außer diesem finden sich auch noch einige, die weder Profession13 noch sonsten etwas gelernet haben, ihr Brod zu verdienen. Haben auch weder Heimath noch Vermögen, sondern was sie gehabt haben, ist entweder dem Hospital anheim gefallen oder haben vorhin nichts in bonis14 gehabt.
Unter andern findet sich im Hospital Merxhausen eine Spuria15 von einer ehemahligen Hospitalitin nahmens Magdalena Hainin, die, alß sie erzogen, außgewießen und nachdeme sie sich gleichfalß impraegniren16 laßen u[nd] im Kindbett in eine Raßerey verfallen, wieder recipirt worden. Ob sie nun zwar vollig wieder hergestellt u[nd] darneben auch im Stande ist, mit Dienen ihr Brod zu verdienen, so wird sie doch niemand mit ihrem Kinde aufnehmen, noch weniger jemand in ein Ort einlaßen, das Brod vor sich und ihr Kind zu erwerben. Eß wäre dann, daß gnädigste Herrschafft ihrem Kind die hochste Gnade mit Reception in ein Waißenhauß mittheilte, u[nd] sie dadurch Gelegenheit überkäme, einen Brodherrn vor sich außzumachen. Welche Umstände also zur höchsten Dijudicatur17 zugleich unt[er]th[änigst] einberichtet, nebst diesem auch ferner eine Liste sub Lit: F! von denenjenigen Hospitaliten, welche von Merxhausen theils heiml[ich], theils mit Urlaub weggangen u[nd] von deren Auffenthalt nichts constirt18, einschickt und unterthänigster Anfrage: ob man solche gäntzl[ich] aus dem Numero19 deren Hospitalitinnen weg laßen solle oder nicht. Der schließl[ich] mit pflichtschuldigstem Respect und devotester Submission20 lebenslang beharre, E[uer] Hochfurst[lichen] Durchl[auch]t
treu unterthenigst gehorsamster Knecht
Haina, d. 24 t[en] Jan[uar] 1750
Keine Anlagen vorhanden.
1 : An die Landgrafen beider Hessen
2 : Aussage/Tenor
3 : aufgetragen
4 : Aufstellung
5 : genesenen
6 : Wartenden auf der Liste
7 : Anverwandten
8 : Aufgenommenen in den der Aufnahme entsprechenden
9 : Nachkommen und Vorfahren
10 : Anverwandte nach dem Tod
11 : Entscheidung
12 : unterwerfe
13 : ein Handwerk/Beruf
14 : gespart
15 : Hurenkind
16 : schwängern
17 : Entscheidung
18 : feststeht/bekannt ist
19 : der Zahl
20 : untertänigster Unterordnung
Personen Landgraf Friedrich I. (*8. Mai 1676 - +5. April 1751 | 1720-1751 als Friedrich I. König von Schweden. In der Zeit hat sein Bruder Wilhelm die Statthalterschaft in Kassel wahrgenommen.
1730-1751 - Landgraf von Hessen-Kassel)
Landgraf Ludwig VIII. (*5. April 1691 - +17. Oktober 1768 | 1739-1768 - Landgraf von Hessen-Darmstadt)
Schlagworte: Ausweisung, Gesundheit, Gutsbetrieb, Haina, Hospitaliten, Unzucht/Schwangerschaft,