Der Hofheimer Vogt Johann Caspar Katz beklagt sich in zwei Briefen über das unzüchtige Verhalten von Hospitaliten
„Hochwohlgebohrner Freyherr
Gnädig und hochgebietender Herr Ober-Vorsteher!

Ew[er] Hochfreyherrl[iche] Gnaden gnädigem vom 20.ten hujus, so aber erst am Mittwochen erhalten, zur unterthänigen Folge melde in aller Unterthänigkeit, daß der Hospitalitin Catharina Elisabetha Gorrin Aufführung also beschaffen, daß sich nicht allein das Hospital, sondern auch die gantze Nachbarschafft darüber ärgert. Inmaßen sie nicht nur in Kleyderpracht einen solchen Übermuth treibet, der einer solchen Persohn, die das Armenbrod isset, nicht anständig, sondern auch darbey sehr zancksichtig, boß- und lügenhafft und dardurch vielen Streit und Unheil im Hospital stifftet. Weniger auch nicht ein vollkommen wollüstiges Weibsbild ist, so die Gnade nicht meritiret länger im Hospital gelaßen zu werden, dafern nicht der Unseegen über solches kommen soll. Und da auch erst noch vor kurtzem wegen ihrer und des sich hier befindenten Regierungssecretarii Müllers einen Bericht an Hochfürstl[iche] Regierung zu Darmstadt erstatten müßen, alß lege solchen copeylich mit bey. Nachdem der hiesige Lector Zisler mich auch versichert, daß diese beyde persohnen seit meiner Abweßenheit ihre beständige Zusammenkünfften in des Gegenschreibers Stube und Küche offentl[ich] gehalten und jetzo noch heiml[ich] hielten, auch die Wartfrau, so dem Reg[ierungs]-Secretario aufwarttet, mir gesagt, daß derselbe ihr sehr anlege, ihr auch 1/2 M versprochen, daß sie ihme diese und jene Weibspersohn aus dem Schwesternhauß zur Gesellschafft bestellen möchte. So habe diesen Vorgang ebenfalß nicht ohnbemerckt seyn laßen und darbey von Hertzen wünschen wollen, daß dieser ebenwohl baldigst nach Haina translociret werden möchte, indeme er dort doch beßer als hier vor dem Frauenvolck kann gehüth und gewahrt werden. Der übrigens vor die mier zu Haina erzeigte viele und hohe Gnade mich nochmahlen gantz unterthänig gehorsamst bedancken und zu ferner hoher Gnade Ew[er] Hochfreyherrl[ichen] Gnaden und Hochderoselben Frau Schwester Hochfreyherrl[ichen] Gnaden mich nebst meiner Frau gantz unterthänig gehorsambst empfehlen und in profundem Respect verharren sollen.
Ew[er] Hochfreyherrl[ichen] Gnaden p.

unterthänig treu gehorsamster Knecht
Johann Caspar Katz

Hoffheim den 30.t. Maij 1760“


Dem Brief liegt als „Copia“ bei ein
„Unterthänig gehorsamster Bericht!

den in das Samthospital recipirten Fürstl[ichen] Regierungs-Secretarius Müller betreffend.

Als die Anzeige geschehen, daß oben gedachter Regierungs-Secretarius zu Zeiten etwas hart tractiret werden solte, so ist mir, weilen hierdurch deßen unglücklicher Zustand ehender verschlimmert als verbeßert werden dörffte, unterm 21.t[en] hujus der hohe Befehl zugekommen, daß ich ohne die höchste Noth gegen ihn nicht hart, sondern mit gebührender Moderation und Vorsicht verfahren und zugleich berichten solle, wie deßen Zustand dermahlen beschaffen sey. Was nun das angebliche harte Tractament anbetrifft, so kann ich nicht bergen, daß dieses ungleiche und wahrheitswiedrige An- und Vorbringen mich über die Maßen befremdet und in ein nicht geringes Erstaunen versetzet hat. Männigl[ichen] in dem Hospital ist bekandt, und derselbe wird es auch selbsten nicht in Abrede stellen, daß ihm von der ersten Stunde an mit aller Liebe und Leutseeligkeit von mir ist begegnet worden. Zu deßen Beweiß will ich nur anführen, daß ihn von der Zeit, da er sich über die ihm verordnete Hospitalskost bey mir beschweret und wie sein schwacher Cörper solche nicht vertragen könne, zu vernehmen gegeben, aus meiner Küche, und so wie ich es selbsten essen, verköstigen, ja nicht einmal ihme diejenigen Speißen, als z[um] E[xempel] gedörrt und gesalzen Fleisch, Sauerkrauth p., welche seiner Gesundheit schädlich zu seyn erachtet, verabreichen laßen. Mit diesem meinem ein wahres Mitleyden alleinig zum Grund habenden Betragen, ist derselbe auch jederzeit so vergnügt und zufrieden geweßen, daß er alle Merckmahle eines dankbahren Gemühtes gegen mich erblicken laßen und hierdurch hat er mich auch so eingenommen gehabt, daß ihme nicht eine Bitte zu versagen gemocht, in so ferne nur solche nicht wieder meine Pflichten, gute Zucht und Ordnung anstößig ware. Hier zu nun gehöret, daß er mich auch einstens um den Zutritt einiger Hospitalitinnen, so gut gesungen, unter dem Vorwand, wie ein schöner Gesang ihn ungemein aufmuntern und in der Andacht stärcke, ersuchet. Ich habe ihm hierunter zu willfahren umso weniger Anstand gefunden, als er eine gantz besondere Frömmigkeit zu affectiren weiß, und seinesgleichen in dem wörtlichen Christenthum suchet. Gott weiß es, daß ich alle gute Vermuthung von ihme gehabt und an nichts weniger gedacht, dann daß die Sünde zur Wollust bey ihm noch zum thätlichen Ausbruch kommen solte. Allein wie groß war nicht die Verwunderung, als d[er Herr] Pfarrer Mahler von Crumstatt mir sagte, daß er in Darmstadt erfahren, wie mehr ged[achter] H[err] Regierungs-Secretarius Müller mit der unterm 8.ten Jan[uar] 1752 ad interim und biß zu ihrer Wiedergeneßung recipirten Gorrin einen vertrauten Umgang habe und dieselbe zu heurathen gesonnen seye. Ich ließe in continenti den Controlleur Musculus, welchem dieselbe bißher die Haußhaltung geführet, dann auf besondern Erlaubnuß des wohlseel[igen] Herrn Obervorstehers von Schrautenbachs, er seine eigene Menage hat, zu mir beruffen. Welchem dann gedachter Herr Pfarrer das neml[ich]e in meiner Gegenwart sagte. Und ich verbotte sogleich denen Hospitalitinnen allen fernern Zutritt auf das Nachdrucksamste und zwar um so mehr, als bey vorgenommener Untersuchung erfahren, daß er der ohnehin insinuanten Gorrin mit der Hand schon über die Backen und das Kinn gestreichelt und ihr damit Caressen gemacht. Über dieses Verbott nun ist derselbe so aufgebracht, daß er mich darüber ordentl[ich] constituiret und mir mit Beziehen auf seine Anverwandtschafft etwas unanständig begegnet, welches mich dann nothwendig in die Umstände gesetzt, daß ihme seine Conduite ernstl[ich] verwießen und zuerkennen gegeben, daß man, zumahlen wann er fernerhin so, wie zu Zeiten geschehen, sich mit gotteslästerlichen Reden, die ich aus Abscheu nicht einmahl ausdrucken mag, vergehen würde, gantz andern Mesures ergreiffen müste. Dieses ist der gantze Vorgang und ich stelle lediglich zu höherm Ermeßen geziemend anheim, ob man von Seiten des H[errn] Regierungs-Secretarii sich über ein hartes Tractament zu beschweren Ursache hat. Um nun auch auf deßen dermahligen Zustand zukommen, so ist derselbe noch immerhin abwechßelnd, und dabey nichts mehrers zubedauren, als daß derselbe zu Zeiten des Paroxismi rechte Gotteslästerungen und allerley abentheuerliches Gezeug ausstößet, worinnen sich um so weniger zufinden, als er, wan er wieder zu sich selbsten kommt, alles weiß, was mit ihm vorgegangen. Insonderheit beklagt er auch bey guten Zeiten sein hartes Verhängnüß und murret gleichsam wieder Gott. Der Todt seiner seel[igen] Frau Liebsten und sein sanguinisches Temperament geben ihm den mehresten Stoff hierzu. Dann ohne Frau kann er seinen Reden nach nicht seyn, und da solches Gott wüste, ihme aber solche gleichwohlen von der Seite gerißen, so vergisset er sich darüber gar leicht, wann er auf dieses Chapitre kommt. Dahingegen ist er zu anderer Zeit hinwiederum den Wortten nach der beste Christ von der Welt und weiß sich in seinem Schicksaal wohl zufaßen.
Bey diesen Umständten ist es nicht wohl thunlich und ich kann es auch nicht auf meine Pflichten und Gewißen nehmen, sondern will mich deßen hiermit entlediget haben, daß man denselben längerhin in dem dahiesigen Hospital läßet. Dann da die Weibsbilder und die Dämpfung seiner gegen dieselbe aufsteigender Lüsten sein Haupt penchant sind, so ist deßen Aufbehaltung in dem dahiesigen Hospital in Absicht derer darab entstehender Inconvenienzien keinesweges und so weniger thunlich, als der Unzucht ohnehin fast nicht mehr zusteuren. Der Pförtner Weil und die Hospitalitin Gertraud Germännin sind noch ein gantz neues Exempel. Und wann dieselbe nicht andern zum Abscheu aus dem Hospital eliminiret werden, so will mich hiermit außer aller Verantworttung setzen, wann dergleichen mehr sich vergehen solten. Die Sache ist längstens untersuchet und es beruhet lediglich darauf, daß auf den erstatteten Bericht hohe Resolution erfolget. Die Gorrin ist auch viele Jahr völlig restituiret und sich anderwärts durchzubringen im Stande. Sie meritiret diese Gnade in so weniger fernerhin, als sie, wie unterm 5.ten. Febr[uar] 1757 allschon berichtet, wieder völlig hergestelt und im Stande, außerhalb dem Hospital ihr Brod verdienen zu können, auch nur ad interim und biß zu ihrer Geneßung recipirt ist. Dabey nicht weniger ein wollüstiges Weibsbild zu werden beginnet und man nicht Aufsehens genug haben kan, zumahlen da sie auf den Gang, wo d[er Herr] Reg[ierungs]-Secretarius einlogiret ist, auf und abgehen muß, wann sie dem hiesigen Controlleur sein Haußweßen besorgen will. Ich auch nebst dem höhren muß, daß sie des Verbotts ohngeachtet sich annoch an denselben addressiret und ihm heimliche Botten schicket. Gleich wie nun solchem nach wohl zu wünschen, wann mehr ermeldter H[err] Reg[ierungs]-Secretarius Müller in das hohe Hospital Haina, wo lauter Mannspersohnen sind, auch die Verpflegung beßer ist, translociret werden könte. Alß habe solches zu höhern gutfindenden Verordnung hiermit zugleich unterthänig gehorsamst einberichten sollen. Dörffte dieser mein ohnvorgreifflicher Antrag aggreiret werden, so wollte ihn bey dermahlig bevorseiender Rechnungsablage mit dorthin nehmen und also vor deßen Transport Sorge tragen. Welches alles jedoch alleinig höherer dijudicatur unterthänig überlaßen haben will.
Hoffheim, den 31.t. Martij 1760

Johann Caspar Katz“
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