Die entlassene Köchin Keim droht sich umzubringen. Bericht an den Obervorsteher
„Abschrift, No. 3
Unterthänig gehorsamster Bericht!
Die Entlassung der gewesenen Köchin Keimin betr[effend]

der Keimin habe ich diesen Morgen die in der Inlage enthaltene Resolution bekannt gemacht. Sie erklärte darauf, daß sie noch heute von hier weggehen wolle, weshalben ich ihr den noch zugut habenden Lohn sogleich bezahlte.
Heute Mittag kame der Jud Baruch von Crumstatt sehr eilfertig hieher und machte mir bekannt: die Keimin hätte ihm Tags zuvor, als sie in den Brunnen gesprungen, Verschiedenes von ihren Kleidungsstücken geschickt. Da er damals nicht zu Hauße gewesen und die Keimin gleich darauf bewacht worden, so habe er bißher nicht gewußt, was die Veranlassung davon sey. Heute aber seye die Keimin zu ihm gekommen, habe ihm äuserst verworren erzählt, daß sie von hier weg komme und ihn gebeten, daß er doch die überschickte Kleidungsstücke wegen der ihm noch schuldige 5 fl. behalten möge. Ohnerachtet er sie offt versichert, daß die Kleidungsstücke mehr werth seyen als die Schuld ausmache, so seye sie doch darauf bestanden, daß er alles behalten solle. Aus dieser Gleichgültigkeit, aus ihren confusen Reden und aus ihrem ganzen Betragen hätte er die Vermuthung bekommen, daß sie noch mit den Gedanken umgienge sich ums Leben zu bringen. Um sein Gewissen nicht zu beschweren, wolle er mir also seinen Verdacht bekannt machen.
Ich lies darauf die Keimin zu mir ruffen und fragte sie: ob sie sich zu ihren Verwandten nach Darmstadt nunmehro begeben wolle, oder wo sie sonst ihre Unterkunfft zu finden gedenke, weil sie von der Erlaubniß, sich noch einige Zeitlang hier aufhalten zu dörfen, keinen Gebrauch machen und wie sie mir heute früh gesagt, schon heute weggehen wolle. Unter dem größesten Wehklagen antwortete sie, daß sie nach Darmstadt schlechterdings nicht gehen wolle. Sie seye nun einmal beschimpft und getraue sich nicht dort sehen zu lassen, auch wisse sie sonst keinen Ort, wohin sie sich verfügen könne. Sie seye eine unglücklche Persohn, sie hätte gehofft hier ihre lebenlängliche Versorung zu erhalten, nun müsse sie es Gott überlassen, was über sie verhängt seye. Auf meine Vorstellunge, daß sie äuserst unbesonnen handeln würde, wann sie sich aufs Ungewisse von hier sogleich wegbegeben und von der ihr bekannt gemachten Erlaubnis keinen Gebrauch machen wolle, wurde sie zimlich beruhiget und erklärte, daß sie meinem Rath folgen und hier abwarten wolle, ob sich nicht eine Gelegenheit zu ihrer Unterkunfft aufwürfe. Zugleich bate sie mich, eine Handschrifft von 78 fl., die sie bey mir deponirt hatte und welche ich ihr diesen Morgen zugestellt hatte, wieder in Verwahrung zu nehmen.
Hofheim, den 11. Sept[ember] 1789“

Einliegende Abschrift ist aus Darmstadt, den 10. September 1789, von Regierungsrat Stockhaus rubricirt.
„Copia No. 2
C[aus]a Resolutio Regiminis, d[atum], D[arm]stadt, d[en] 7.t[en] Sept[ember] 1789


Die gewesene Hospitals Köchin Keimin zu Hofheim und deren Entlassung betr[effend]
Comittatur dem S. Regimentsrathherrn Stockhausen rubricirte Keimin nunmehro gleichbalden aus dem Hospital Hofheim zu entlassen.
In fidem [In Treue, Beglaubigungsformel]
Schmalcalder.
Wird dem Herrn Hospitalmeister Katz zugefertiget, um hiernach das weitere zu besorgen, und wie geschehen, mit Ruckschluß dieses zu berichten.
Da übrigens das Hospital überhaupt eine wohlthätige Stiftung ist, so wird es nicht darauf ankommen, der gewesenen Köchin Keimin, bedürffenden Falls, und bis sie sich anderwärts unterbringen kann, eine milde Beysteuer zur Lebsucht zu verabreichen.
Darmstadt, den 10. Sept[ember] 1789. Stockhausen

p[räsentiert], d[en] 9.t[en] 7br. [September] 1789“
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