Bestrafung der Pfründner im Hospital Hofheim, welche die täglichen Betstunden und Predigten versäumen
„Hochwohlgebohrne, Hochwürdige, Hochedelgebohren und Hochgelahrte zu dem Hochfürstl[ichen] Consistorio Hochverordnete Herrn, Herrn Praesident, Cantzler, Director Consistorii, sodann übriege Geist- und Weltl[iche] Herrn Räthe und Assessores.
Gn[ädi]ge Gr[oßgünstige] und Hochgebietende Herrn
Wie von den alten Pfründnern, so vor mehr dann 30 Jahren im Hospithal Hoffheim gewesen, unterschiedlich höre, so hat die Hochfürstl[iche] Hospithalordnung eine accurate Kirchendisciplin angeordnet, daß nicht nur tägl[ich] Gottesdienst zu halten, sondern auch die Pfründnern diesen ohnausgesetzt zu besuchen und denen, so ihn ohne legale Ursach versäumeten, ihr ordentl[iches]
Tractement an Fleisch und Bier zur Straffe soll abgezogen werden. Dieses alles aber leyder!
lex obsoleta worden und dermahlen viele nach ihren Wohlgefallen aus der Kirch bleiben, werendem Gottesdienst im Feld und benachbahrten Dörffern spazieren und allerley Excesse, sauffen und dergleichen, ohngestrafft treiben. Wie dan überhaupt von dieser Ordnung nichts Positives bekannt, mit dem aller bewöglichsten Vorstellungen bey manchen nichts mehr auszurichten ist. Übriegens die Hochfürstl[ich] Hess[isch]-Darmstädtische Kirchen-Ordnung besonders Geldstraffe gesetzet, dergleichen Muthwillen und Boßheit zu steuren, als stelle zu E[uer] Hochwohlgeb[oren] Excell[enz], Hochwürd[ig], Hochedelgeb[oren], Gestr[eng] und Herrl[ich] hocherleucheteten Disposition, ob dieselbe in Gnaden geruhen wollen, die so sehr verfallene Kirchendisciplin im Hospithal Hoffheim wieder herzustellen.
Ew. Hochwohlgebohr[en] Excell[enz], Hochwürd[ig], Hochedelgeb[oren], Gestr[eng] und Herrl[ich]
unterthänig gehorsamster
Wilhelm Balthas. Wagner
Crumstadt
d[en] 29. April 1732“
präsentiert, den 15. Mai 1732
Aufschrift auf Brief:
„Ahn das Hochfürstl[iche] Consistorium
pflichtmäsige gehorsamste Vorstellungen die Kirchendisciplin im Hospithal Hoffheim betreffent“
Es folgt ein Konzept, Darmstadt, den 29. Mai 1732, in dem das Constistorium an den Hospitalmeister Schott zu Hoffheim und Pfarrer Wagner zu Crumstatt schreibt. Sie hätten vernommen, dass die Kirchendisziplin im Samthospital Hofheim in großen Verfall geraten sei und fordern beide auf, diese Disziplin wieder herzustellen.
Weiteres Schreiben von Wagner an das Consistorium
„Hochwohlgebohrne Hochwürdige Hochedelgebohren und Hochgelahrte zu dem Hochfürstl[ichen] Consistorio, Hochverordnete Herrn, Herrn Praesident, Cantzler, Director Consistorii, sodann übriege Geist- und Weltl[iche] Herrn Räthe und Assessores.
Gn[ädi]ge Gr[oßgünstige] und Hochgebietende Herrn
Daß E[uer] hochwohlgeb[oren] Excell[enz] Hochwürd[ig] Hochedelgeb[oren] Gestr[eng] und Herrl[ich] durch Dero gerechte Assistenz mein priesterliches Pfarrambt im Hospithal Hoffheim in Gnaden geruhet zu erleuchtern und dem vorigen H[errn] Hospithalmeister Schott unter dem 8.ten Febr[uar] 1731 rescribiret [geantwortet], mir:
„in meinem Ambt keinen Verdruß und Hindrung zu machen p.“
auch unter dem 29.t. May 1732 demselben und mir nachtrücklich befohlen, uns die daselbst verfallene Kirchendisciplin mögligsten Fleißes angelegen seyn zu laßen und dahin zu sehen, daß hinführo alles in guter Gott wohlgefälliger Ordnung erhalten werde p., erkenne mit unterthänigem Dank. Dero G[nädiger] und Gr[oßgünstiger] Beystand mich versichernd, habe demnach mit pflichtmäsiger Treu mein Ambt geführet, aber leyder! haben Dero Befehl auff der andern Seithen keinen
Ingres gefundten. Vielmehr einmahl über das andere mir Verdruß gemacht und die so nöthige Kirchendisciplin zum grösten Verfall gebracht. Daß H[err] Hospithalmeister Schott noch vorigen Winther auff halben Feyer- und monathlichen Bettag unter dem Gottesdienst laßen Holz fahren, ich eins mahl aus der Kirch schicken und den Knecht müssen ausspannen heisen, die Seinige am lezt verwichenen Weynachten zu vieler Ergerniß Holz gehauen, übergehe mit Stillschweigen. Das aller Wehemüthigste ist, daß die Pfründner, so nach der Hospithalordnung zur Kirch gewiesen, auch keine Hinderniß und Arbeit haben, die tägl[iche] Bettstundte, Wochen-, halben Feyer- und monathliche Bettags-Predigt so sehr versäumen. Zwar habe dieselbe vielfältig vermahnet, mit der in den
Kirchenagenda Apend[ix] pag[ina] 26, Nr. 1 gesetzten 4 Alb Geld, und in der Hospithalordnung § 1 „... gleichfalß sollen sie auch die gewöhnliche Wochenpredigten fleisig besuchen und darinnen das Gebeth oder Predigt versäumen würden, denen sol in der Zeit die Mahlzeit abgebrochen werden p.“ benenten Straff betrohet. Aber bey vielen Halßstarrigen nicht das Mindeste ausgerichtet. Biß endlich lezt verwichenen Jacobi Tag, den 25. May, da Philipp Lauter, Philipp Hamm und Catharina Reichertin, Pfründner, abermahl nicht zur Predigt kommen, und ersterer der Lauter des Morgens um 8 bereits mit Brandenwein besoffen, die andern beyde auch gantz notorisch liederlich, daß H[err] Ambtmann Elwerth den Hamm noch in vorigem Herbst etliche Tage in Arrest setzen laßen, so hat die Reichertin wegen ihrer Leichtsinnigkeit auch in vorigem Herbst offentliche Kirchenbuß thun müßen. Mich
necessitiret sehr, diesen dreyen ihre Portion Fleisch und Bier (so bey 3 Xr [Kreuzer] beträgt) abziehen zu laßen, damit nicht durch dieser Pfründner continuirenden und tägl[ich] zunehmenden Boßheit, mit Eli mich in harte Gericht brächte. H[err] Hospithalmeister Rothenberg aber, eben als ob er das Gute böß- und das Böse gut heise, hat mit dem Küchenschreiber Niederhöfer, so die Speise austheilet, einen hefftigen Zanck erreget und gescholten, mit eigener Hand denen bösen Pfründner ihre Portion 1/2 Pf. Fleisch und 1/2 Maß Bier gereichet und ihrer Boßheit gestärket. Mithin meine priesterl[iche] Ambtsautoritaet öffentlich
prostituiret und gantz inhabil gemacht, das Böse zu strafen. Nun kann es mit aller meiner pflichtmäsigen Treu und Sorge, mit Vermahnen und Warnen, mit Bitten und Straffen nicht weiter bringen. Ich bin diesem Volck ein Spott und täglich ihr Liedlein worden, bis der Mund der Wahrheit seinen teuren Nahmen und den armen Predigern anvertrauetes Ambt rettet. E[uer] Hochwohlgebohren Excell[enz], Hochwürd[ig], Hochedelgeb[oren], Gestr[eng], und Herr[lich] haben diesen
casum, wie er klar allen Hospithalitten vor Augen lieget, mit unterthanigem Respect vortragen wollen, der gewissen Zuversicht, dieselbe werden in Gnaden geruhen, die priesterliche Ambtsautoritaet zu Hoffheim, so H[err] Hospitahlmeister (wie leyder vielfältig klagen müssen) von sich gantz
dependent zu machen suchet, nicht gar
supprimiren zu laßen.
Ew[er] Hochwohlgebohr[en] Excell[enz], Hochwürd[ig], Hochedelgeb[oren], Gestr[eng], und Herrl[ich]
unterthänig gehorsamster
Wilhelm Balthasar Wagner
Crumstadt, d. 27. Juli 1733“
Folgt Antwort des Consistorium an Pfarrer zu Crumstadt
Konzept, Darmstadt, den 13. August 1733
„Guther Freund p.
Wir haben ab eurem unterm 27.n Julij erstatten Bericht des mehreren ersehen, waßmaßen ihr einigen Pfründern des Hospithals Hoffheim „um Willen sie die tägl[iche] Bethstunden und andere Predigten versäumet, und statt derselben andern liederlichen Weegen und Dingen nachgegangen“ ihr
quantum an Eßen und Trincken einesmahl abziehen laßen.
Obwohlen nun in der Hospithalsordnung dergleichen Straffe auf die Entheiligung der Sabbath- und Feyertage wie auch Verabsäumung derer Wochenpredigt und Bethstunden gesezet, so hat doch Euch nicht gebühret, dergleichen Straffe ohne Vorwißen des Hospitahlmeister alß Haubt Rechnungsbeambten zu
exequiren und befehlen. Euch solchemnach in des Durchl[aucht] p. Nahmen hiermit für Unß fr[eundlich] gesinnende, daß Ihr hinkünfftig, wann einer oder der andere der Hospithalordnung zuwieder leben würde, mithin zu
coerciren wäre, solches vorhero dem Hospithalmeister zu Beobachtung seiner Pflicht und Ambts anzeiget und beede sodann in Harmonie, jeder aber in seiner Ordnung, allem
irregulairen Weßen abzuhelffen suche. Versehens unß p.
Darmstadt d[en] 13. Aug[ust] 1733“