Obervorsteher Geismar zieht in das Hospital Haina, um vor Ort die Kontrolle über die Ökonomie besser vornehmen zu können
Aufschrift: “Ahn den Obervorsteher von Geißmar, betr[effs] die alhier unter dem Nahmen der Armen im Hospital Merxhausen eingelangte Supplic, worin sie nachgesucht, daß Lorentz Schmerfeldt nicht möge zum Vogd daselbst bestellet werden.”

“Unser Lieber Getreuer

Wir geben Euch ab dem Einschluß mit mehrerm zu vernehmen, welcher gestalt alhier eine unterth[änig]ste Supplic unter dem nahmen der Armen im Hospital Merxhausen einkommen, undt unß forters behorig vorgetragen worden, worin dieselbe inständig nachsuchen, daß der zu der erledigten Vogdtsstelle mitpraesentirte Lorentz Schmerfeldt hierzu nicht bestellet werden möchte. Nachdem unß nuhn diese Sache sehr verdächtig undt solchergestalt vorkommt, alß ob sich jemandt hierunter des Nahmens der Armen mißbrauchet habe, alß befehlen wir Euch hiermit g[nädig]st, daß Ihr Euch nicht allein mit Fleiß ahngelegen seyn laßet, den Autoren sothaner Supplic, so Euch zu dem Ende originaliter zugeschickt wirdt, auszumachen, sondern auch nechst deren Remission darüber so wohl alß wie sich ermelter Schmerfeldt in seinem bißherigen Officio zu Haina verhalten undt ob sich desfalß etwas Widriges gegen ihn hervorgetahn habe oder noch hervorthue, Euren gegründeten unterth[änig]sten Bericht zu unserer ferneren gnädigsten Entschluß undt Verordtnung ohnverlangt einschicket. In deßen Versehung verbleiben wir Euch p.
Datum, Caßell den 28.t. 9bris [Novembris] 1693"


Es folgt das Antwortschreiben von Geismars

Haina, den 18. Dezember 1693

Obervorsteher Geismar an den Landgrafen Karl

“Durchlauchtigster Fürst
gnädigster Fürst und Herr p.

Waß an E[uer] Hochfürstl[ichen] Durchl[aucht] unter dem Nahmen der sambtlichen armen Schwestern im hohen Hospital Merxhausen ein bößer verleumbterischer falscher Mensch gegen den Hainischen Fruchtschreiber, Lorentz Schmerfeldt, und mich, unterthänigst gelangen laßen, solches habe auß der hierbey wieder zurück kommenden Supplic mit mehrerm vernommen. Nach deme E[ure] Hochfürstl[iche] Durchl[aucht] nun dieße Sache billig sehr verdächtig und daß sich jemand hier under deß Nahmens der Armen mißbraucht habe, vorkommen und deshalben mir gn[ädig]st anbefohlen, den Authorem sothaner Supplic, wo möglich außzumachen, und wie sich ermelter Schmerfeldt, in seinen bißherigen Officio zu Haina, verhalten und ob sich deßfalß etwaß Wiedriges hervorgethan habe oder noch hervorthue, zu Deroßelben fernern gn[ädig]sten Verordnung meinen unterthänigsten gegründeten Bericht zu erstatten. Alß habe sothanen gn[ädig]sten Befehl zu gehorsamen mich nach Merxhaußen erhoben, bemelde Supplic denen sambtlichen sich bey Verstand befindenden armen Schwestern vorgehalten und ob sie sich zu derselben bekenneten befragt. Welche aber solches mitt großer Bestürzung (E[uer] Hochfürstl[ichen] Durchl[aucht] Ungnade befürchtend) angehöret und daß sie nichtes darvon wüsten hoch betheuret. Vorgebendt, daß zwahr eine von ihren Mitschwestern, die Buchbinderin genandt (dieses ist eine loße Tretscherin und leichtfertige Vettel, so viel Unheil im Closter anstelt), zu ihren sambtl[ichen] Schwestern kommen undt vorbracht, wie daß sie sämbtl[ich] die Vögtin zu Merxhausen ansprechen ließe, bey E[uer] Hochfürstl[ichen] Durchl[aucht] vor ihren Mann den Vogdt unterthänigst einzukommen und daß selbiger bey ihnen bleiben möchte, gehorßambßt zu bitten. Welches die sich aber nicht unterstehen dörffen und rund abgeschlagen hetten. Die Vögdtin gestehet zwar, solches gegen die Buchbinderin und noch zwey andere Persohnen gedacht zu haben, aber nur auß Scherz, dieweilen dieße simulirt und sich gestelt hetten, alß wann sie den Vogdt nicht gerne weglaßen, sondern lieber behalten wolten. Welches, ob es Scherz oder Ernst geweßen, ich müßen seinen Orth gestelt sein lassen, dieses alles vor ein Weibergetretsch geltendt. Wann man aber die Supplic gegen der hainischen Bedienten gethane in beykommenden Protocoll enthaltener Außage, den Fruchtschreiber betreffent helt und genau betrachtet, so kann man den Ursprung derselben leicht erkennen, in Betrachtung, daß niemand von des Fruchtschreiberß ihme imputirten übelen Haußhalten alß die hainischen Bedienten undt deß Fruchtschreibers weggejagter Schreiber Jung gewust haben. Und wenn dieße es offenbahret, wann dieße solten die Finger ufheben, würde sich der Author bald finden, wie ingleichen, wenn man diejenigen, so die Supplic übergeben hatt und den Vogdt undt die Vögdtin im Hainer Hauß zu Caßel examiniren solten.
Waß sonsten den Fruchtschreiber und deßen bißherigeß Verhalten in seinem bißherigen Officio anbelanget, so weiß nicht anders und laßen es seine abgelegte Rechnung vor Augen, daß selbiger dem Closter Haina die kurze Zeit seiner Bedienung zimliche guthe Dinste getahn. Umb aber der Sachen näher zu kommen, dieweilen ich nicht alle Zeit in loco bin und also nicht alles, waß passirt, erfahre, eß sey dan daß das Reich, wie anjetzo, unter sich unainß wirdt, auch zu erweisen, daß ich mitt diesem Fruchtschreiber kein sonderliches Commercium noch Interesse habe oder verlange (wie mir in der Supplic fälschlich angedichtet worden), so habe die hainischen Bedienten, uf welche sich in bemelder Supplic in specie bezogen wirdt, vorgenommen undt deßen sind an gesetzten Redlichkeit wusten, selbige ihrer Pflichten erinnerendt befragt, da dann noch eines jeden eigenhändig unterschriebenen Außsage herauß und an den Tag kommen, wie auß beykommenden Protocoll Nr. 1 mitt mehrem zu ersehen. Waß der Fruchtschreiber druff geantwortet, und wie er sich entschuldiget, solches erhellet auß der Beylage Nr. 2. Dieses ist gewiß, und kann ich mitt Wahrheit sagen, daß mir der Fruchtschreiber bey meiner damahligen Ankunfft inß Closter, so bald nach der Stürtzung gewesen, den Uberschuß von Maltz angezeiget und umb Verfertigung der Meelwogen ohne einiges Menschen Erinnern bey mir angehalten. Ob selbige aber bey der Stürzung und befundenen Überschuß etwas Unverantwortliches dem Bierbrauer zugemuthet, solchs ist mir verborgen. So habe ich auch nichts davon gehört biß anjetz, da wie gedacht, daß Reich under sich selbst uneinß worden. Zum wenigsten ist der Fruchtschreiber deß bezichtigten Bedrugs nicht überwießen, wird auch dessen wohl schwerlich überwießen werden, dieweilen der Überschuß so wohl an Meel, als Maltz in seiner Wochenrechnung in Einnamb und Außgabe bracht worden. Ohne ist es nicht und soll E[uer] Hochfürstl[ichen] Durchl[aucht] Pflichten halber eher verhalten, daß es in dem hohen Hospitalien undt in Sonderheit im Closter Haina nicht alle Mahl hergeht, wie es wohl solte. Undt daß wegen Abweßenheit deß Obervorstehers zum offtern viel Guthes nachbleibt undt hergegen viel dergl[eichen] passirt, so nicht eben zum Besten, welches aber nicht wohl zu andern, es sey dann, daß ein zeitiger Obervorsteher im Closter Haina, alwo die Repositur, Fiscus, Obligationes und alleß beysammen und andere Clöster sich alle hin referiren, wohne. Welches zwahr einigen deß lichtscheuen, eigennützigen Bedienten nicht würde gefallen, den Hospitalien und den Armen aber beßer können vorgestanden, davon sehr hier und dar gekränckte Jura, beßer gewahrt, dem bißherigen Gezänck wor durch bißhero viel Gutheß verhindert worden. Undt aller daher entstandene und sonst eingeschlichenen Unordnungen und Mißbräuchen gesteuret und aller sonsten zu gewißen Zeiten im Closter Haina gewöhnliche Uffgang uf einmahl abgeschafft und eingestelt werden. Und verhoffe ich ohne einigen eiteln Ruhm et sans faire le bon valet, wenn mitt E[uer] Hochfürstl[ichen] Durchl[aucht] gn[ädig]st[en] Bewilligung ich im Closter Haina wohnen solte und alle, oder doch die meiste Zeit, zugegen seyn könte. Welches meines gn[ädig]st[en] Fürsten und Herren zu Heßen Darmstatt Hochfürstl[ichen] Durchl[aucht] gern sehen und dann hohen Hospitalien und dem Armen zum Besten, umb denen nicht sonderlich weiter beschwerlich zu seyn, mir meine jezige Ämbter und Besoldung gern auß Genaden laßen würden, mit Gotteß Hülffe in kurzer Zeit zum wenigsten daß Closter Haina in einen gantz andern undt bessern Standt zu setzen und in effectu zu erweißen, wie nutzlich und nöthig dießen und denen andern hohen Hospitalien, deß Obervorstehers stündliche Gegenwart und daß selbige ein ehrlicher, nicht interessirter unverdroßener Man sey. Vor daß geringste, so dem Closter oder den Armen durch mich oder die Meinigen wießenlich veruntrauet oder entzogen werden solte, engagire meine Ehre, Hab und Gut, gewiß versichert, Hochfürstl[iche] Gnäd[igste] Herschafften worden uff den Gnädigst beliebenden Fall, nicht wolle, daß bey so groser Verantwortung, Mühe, Sorge und Last, ich mit den Meinigen Hunger leyden solte. Dieses gnädigster Fürst und Herr stelle E[uer] Hochfürstl[ichen] Durchl[aucht] nicht vor, umb mich etwann in daß Closter Haina zu practiciren undt einzuschleichen, meine Commoditet zu haben und mich zu bereichern, sondern alß ein Mittel, wordurch allem Übel und Unordnung begegnet werden kan. Sodann mein Gewißen zu befreyen undt endlich ein mahl vor Gott E[uer] Hochfürstl[ichen] Durchl[aucht] undt der gantzen Welt endtschuldigt zu sein, der ich übrigens mehr dardurch verlieren alß gewinnen und mehr Chagrin alß Ergetzlichkeit darbey haben dörffte. Den gantzen Zustandt der hohen Hospitalien und alle andere Ursachen, warumb es nöthig sey, daß der Obervorsteher eben im Closter Haina wohne, weitleufftiger hier anzuführen, würde dießes noch weitläufftiger undt E[uer] Hochfürstl[ichen] Durchl[aucht] Patience dardurch zu mißbrauchen mich criminet machen. Breche derowegen mit Deroselben gnädigsten Permission hiermit ab und nicht zweifflendt, E[uer] Hochfürstl[ichen] Durchl[aucht] werden deroselben zur Hainischen Visitation gnädigst verordnete Räthe vorhin vor allem unterthänigst referirt haben. Verpleibe in tieffster Submission.
E[uer] Hochfürstl[ichen] Durchl[aucht]

unterthängster, trew, pflichtschuldigst und gehorßambster Knecht, Geißmar”


Hierauf schreibt Landgraf Karl von Hessen-Kassel an Landgraf Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt, Konzept.
Kassel, den 17. Februar 1694

Landgraf von Hessen-Kassel an Ernst Ludwig, Landgraf von Hessen-Darmstadt

“Unser Durchleuchtigster
Wir mögen E[uer] L[iebden] hiermit freundvetterlich nicht verhalten, was maßen als wir vernommen, daß in denen Hospitalien absonderlich zu Haina viele Unrichtigkeitten vorgehen und der daselbst stehende Fruchtschreiber Lorentz Schmerfeldt nicht allein vor sich übel Hauß gehalten, sondern auch sein aigen Gesinde und andere Wercksleuthe darzu angehalten zu haben, beschuldigt werden wollen, wir solches durch den Obervorsteher von Geißmar weniger nicht untersuchen, alß uns aus deßen eingeschickter Relation unterth[änig]st referiren lasen. Gleichwie man nicht wargenommen, daß diese und dergleichen böse Nachrede und Beschuldigungen nur eine aus dem eine Zeit lang allzu weit eingerißenen Gezänck, welches der Hospitals Bedienten unter sich und machmal ohne Grund anregen und herhohlen, entstehen. Welchem Unheil aber, alß worbey die Hospitalien mercklich periclitiren bey Zeitten zu steuren und die Stiffter und deren initie in guten Standt zu bringen undt zu unterhalten, wir biß noch kein verträglicher Mittel finden, alß daß man den Obervorsteher von Geißmar in Persohn, wo nicht alle Zeit, doch zum Versuch uff ein Jahr oder 4 zu Haina wohnen und durch denselben die zanksüchtige Gemüther weniger nicht in Schrancken als sonsten uff derselben thun und laßen genaue Uffsicht halten ließe.
Also haben mit E[uer] L[iebden] aus diesem Unßerem ohmaßgeblichen Vorschlag und ob und wie weit sie denselben mit unß belieben, auch zu dem Ende, den Obervorstehern umb sich hierzu desto williger zu finden, seine Bestallung uff etwas erhöhen und ahnstatt der bißher verordneten 100 G. ihm 100 Rth., ahnstatt der 5 Mlt Korn 10 Mtr, wie auch ahnstatt der 20 Mltr. Haffer 40 Mlr. undt sonst laut beyliegender Specification zum Haushalt benötigten Posten verhandreichen laßen möchten, fr[eund]vetterlich zu communiciren nicht unterlaßen wollen. Dieselbe Durchl[aucht] ersuchende, sie belieben unß Dero hochvernünfftige Gedancken darüber zu eröfnen, nach deren Einlangung wir dem Obervorsteher hiervon Kandnus zu geben nicht unterlaßen würden. Worbei jedoch expresse vorbehalten wehre, dafern man etwan hinküfftig dem Hospital nicht verträglich finden solte, daß ein Obervorsteher da stets subsistiren, man solches nach Belieben endigen und abschaffen könne.
Caßell, den 17. Febr[uar] 1694"


Landgraf Karl von Hessen-Kassel an Obervorsteher von Geismar, Konzept.
Kassel, den 17. Februar 1694

Landgraf von Hessen-Kassel an Obervorsteher von Geismar

“Carl
Unser lieber Getr[euer]
Wir haben Euer eingeschickte Relation sambt beygefügtem Inquisitionsprotocollo, so wieder hierbey zurück kombt, über die gegen den Fruchtschreiber Schmerfelt unterm Nahmen der Armen im Hospital Merxhaußen eingegebene Clagpunct empfangen. Und daß zu deren Uffsatz und Übergebung sich von ihnen jemand so wenig bekommen alß sonsten etwas bey der Inquisition wieder ged[achten] Schmerfeld etwas hervorthun wollen mehrers ersehen.
Wie Wir nun sowohl zu Uffhebung des stättigen Gezäncks unter denen Hospitals Bedienten, alß worauß solche Beschuldigungen entstehen, als auch deß sonst der Hospitalien Interesse desto beßer gewahrt werden möge, kein beßer Mittel finden, alß daß Ihr in loco bey ihnen wohnen und auch eines oder des andern Thun und Weßen selbst genaue Achtung haben möchtet. Gestalt wir das hieraus aus gnädigstem Zutrauen, so wir uff Ewer Conduite und daß Ihr alles denen Hospitalien zum Besten auszuordnen Euch angelegen sein laßen werdet, haben mit Unsers Vettern, des Landtgrafen zu Darmbstatt L[iebden] communiciret und ein und ander Vorschläge zue Euer desto beßern Subsistenz gethan haben. Also werden wir, sobald darauf die Antwortt ahn unß einlanget, Euch davon Kandnus zu geben. Zumittelst aber habt Ihr Euch sowohl nach Haina als auch Merxhausen zu erheben, wie daselbst unter denen Bedienten sich noch enthaltende Mißhelligkeitten und was sonsten daselbsten zu beobachten, abzuthun und ferner anhero zue berichten.
Caßell, den. 17. Febr[uar] 1694”
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