Gedruckte Verordnung der Landgrafen von Hessen-Kassel, wie die für die Aufnahme in das hohe Hospital nötigen Atteste aufzusetzen sind
“Von Gottes Gnaden Carl/ Landgraff zu Hessen/ Fürst zu Herßfeld/ Graff zu Catzenelnbogen/ Dietz/ Ziegenhayn/ Nidda und Schaumburg/ etc.
Ob Wir wohlen bereits vorhin durch general-Ausschreiben Unsern sowol Beamten als Predigern/ scharff und ernstlich intimiret, daß Sie die Memorialien derjenigen/ welche bey Uns um Reception in Unsere hohe Samt-Hospitalia unterthänigst nachsuchen/ nicht voreylig und bevor Sie sich aller Umstände derer Supplicanten genau und gründlich erkundiget/ bescheinigen solten. So haben Wir aber jedoch höchst- misfällig bishero in Erfahrung gebracht/ daß theils Prediger und Beamten hierunter ihre Pflicht ausser Acht gelassen/ massen bey denen alljährigen Rechnungs-Tagen und Visitationen derer Samt-Hospitalien/ wie auch sonsten/ sich zu Tage geleget/ was masen zuweilen auf ungleiches attestiren solche Persohnen in ersagte Unserer Samt-Hospitalia sich eingeschlichen/ welche der Aufnahme nicht gnugsam fähig; Wann Wir aber sothanen gegen die löbliche
Fundation lauffenden Misbrauch und Unwesen ein- vor allemal vors künftige abgeschafft und gäntzlich
eliminiret wissen wollen/ und zwar um so mehr als Unsere hohe Samt-Hospitalia allschon mit Pfründern derogestalt überflüssig besetzet/ daß viele arm- und alt- auch besonders elend- und gebrechliche Leute/ ohnerachtet sie würcklich darin verschrieben/ nichts destoweniger der à dato Rescripti abzuwarten habender Ordnung halber/ Unserer Gnade nicht theilhaft werden/ sondern inzwischen darüber in ihrer miserie Hülff-los versterben. Als gebieten demnach all- und jeden Befehlshabern/ Predigern und Beamten in Unsern Fürstenthum- Graff- und Herrschaften hierdurch/ mit Vorbehalt der Straffe wider diejenige/ welche obangezogene Unsere vorige Ausschreiben nicht befolget/ nochmalen in Gnaden und alles Ernstes/ vors künfftige im attestiren ersagter Memorialien vorsichtiglich und Pflichtmäsig zu verfahren/ des Endes ihnen dann der modus, wie nemlich die Bescheinigungen clar und deutlich/ um Jederman alle Entschuldigung desfalls abzuschneiden/ vorgeschrieben wird/ wie nachfolget: Als Erstlich/ was zuvorderst Unsere Einwohner in Städten angehet/ hat es bey der Uhralten Verfassung lediglich sein Verbleiben/ daß daraus die Arm- und Preshaften nicht in Unsere hohe Samt-Hospitalia zu recipiren/ sondern entweder in denen particulier-Hospitalien jeden Orts zu verpflegen seynd/ oder von denen von vermögenden Einwohnern zu
colligirenden milden Steuren unterhalten werden müssen/ der einzige Fall ausgenommen/ wo ein- oder der ander in solche Wuth und
Furorem gerahten/ daß Er ohne besondere Gefahr am Orth nicht zu bewahren wäre/
casu quo das Ministerium, Beamten und Bürgermeister und Raht ins gesamt sonder Unterscheid des
Fori, welchem sonst die Person unterwürffig/ mit Zuziehung des Stadt-Physici, oder eines verpflichteten Medici, vorgängig wohl zu erforschen und darauf
punctatim zu bescheinigen haben/ (1) worin die Raserey eigentlich bestehe? (2) wie lange solche bereits gedauret? (3) ob selbige allem Ansehen nach
incurabel? (4) ob und wieviel die unsinnige Person
in bonis habe/ mithin (5) ob selbige sich selbsten in Unsern Samt-Hospitalien erhalten/ oder (6) etwan deren Eltern/ Geschwistere/ oder die welche an Eltern Statt/ sothane Verpflegungs-Kosten
fourniren können? Nächst deme Unsere Unterthanen in denen Dorffschafften belangend/ die Beamte und Prediger des Orths beyderseits in ihren Attestationen specificè und zwar/ wofern die Kranckheit das Gemühte/ oder die innerliche Theile des Cörpers tangiret/ vermittelst
Adhibirung eines verpflichteten Medici, in ihren Bescheinigungen
exprimiren sollen/ (1) wie alt die Supplicanten seyen? (2) ob sie nichts/ oder wieviel im Vermögen haben? (3) was es mit deren Gebrechlichkeit vor eine Beschaffenheit habe und ob sie zu aller Arbeit untüchtig? Sodann (4) ob durch den Gebrauch diensamer Medicin der Persohn nicht wieder zu helffen?
Allermassen nun die Memorialien/ welche nicht/ wie vorgemeldet/ punctatim attestiret sind/ (sintemalen die Bescheinigungen keinesweges obenhin und
in genere, wie bishero/ geschehen müssen? Uns nicht vortragen/ sondern zurück geben lassen werden. So haben hingegen Beamte und Prediger/ welche ohnwahre Umstände attestiren/ die ihnen schon im vorigen Ausschreiben
intimirte Cassation nicht allein zu erwarten/ sondern es sollen auch die
Contravenirende jedesmalen die Samt-Hospitalia darunter
ratione derer aufgehenden
alimentations-Kosten indemnisiren und Schad-los halten. Wornach sich ein jeder/ den es angehet/ ohnfehlbar zu achten hat.
Gegeben Cassel/ den 10. Tag Aprilis 1728
CARL”
laut Extrakt Geheimen Ratsprotokolls vom 29. Dezember 1780 wird diese Verordnung erneuert.
In derselben Akte folgt später die erneuerte Version der Verordnung
“Von Gottes Gnaden Wir Friedrich, Landgraff zu Hessen, Fürst zu Hersfeld, Graf zu Catzenelnbogen, Dietz, Ziegenhayn, Nidda und Schaumburg und Hanau etc. etc. Ritter des Königl. Groß-Brittanischen Ordens vom blauen Hosenbande, wie auch des Königl. Preußischen Ordens vom schwarzen Adler etc. etc.
Fügen hierdurch zu wissen: Nachdem in der vorhin am 10.ten April 1728 ergangenen Verordnung zwar deutlich vorgeschrieben worden, wie die Umstände solcher Personen, um deren Aufnahme in die Hohe Samt-Hospitalien gebeten wird, untersucht, und die desfalls zu übergebende Vorstellungen attestirt werden sollen, aus denen von Zeit zu Zeit eingekommenen Attestaten aber zu ersehen gewesen, daß diese Vorschrift nicht allenthalben gehörig beobachtet wird; So haben wir gnädigst gutgefunden, jene Verordnung nach ihrem ganzen Innhalt hierdurch zu erneuern.
§. 1.
Was erstlich die Einwohner in den Städten angehet; So hat es bey der uralten Verfassung lediglich sein Bewenden, daß daraus die Arm- und Preßhaften nicht in Unsere Hohe Samt-Hospitalia recipirt, sondern entweder in den besondern Hospitalien jeden Orts, oder aus denen von vermögenden Einwohnern zu colligirenden milden Steuren unterhalten werden müssen, der einzige Fall ausgenommen, wo jemand in solche Wut und Raserey gerathen, daß Er ohne besondere Gefahr am Orte nicht zu bewahren wäre. Es haben alsdenn aber das Ministerium, Beamten und Bürgermeister und Rath insgesammt ohne Unterscheid des Fori, welchem sonst die Person unterwürffig, mit Zuziehung des Stadt-Physici oder eines verpflichteten Medici vorgängig wohl zu erforschen, und darauf punctatim zu bescheinigen haben,
1) worin die Raserey eigentlich bestehe?
2) wie lange solche bereits gedauret?
3) ob selbige allem Ansehen nach incurable sey?
4) ob und wieviel die unsinnige Person im Vermögen habe, mithin
5) ob selbige sich entweder selbst in Unseren Samt-Hospitalien erhalten, oder
6) etwa deren Eltern, Geschwister, oder die, welche an Eltern Statt sind, die Verpflegungskosten fourniren können?
§. 2.
Was hingegen Unsere Unterthanen in denen Dorffschaften anlangt; So sollen die Beamte und Prediger des Orths beyderseits in ihren Attestationen specificè und zwar, wofern die Kranckheit das Gemüht, oder die innerliche Theile des Körpers betrifft, vermittelst Zuziehung eines verpflichteten Medici in ihren Bescheinigungen exprimiren
1) wie alt die Supplicanten seyn?
2) ob sie nichts, oder wie viel im Vermögen haben?
3) was es mit deren Gebrechlichkeit vor eine Beschaffenheit habe, und ob sie zu aller Arbeit untüchtig seyn? sodann
4) ob durch den Gebrauch diensamer Medicin der Persohn nicht wieder zu helfen stehe?
§. 3.
Alle Memorialien, welche auf diese vorgeschriebene Art und weise nicht attestirt sind, sollen Uns gar nicht vortragen, sondern sofort zurück gegeben werden.
§. 4.
Wir versehen Uns hierbey auch gnädigst, daß Prediger und Beamten keine unwahre Umstände attestiren werden, indem sie widrigenfalls die Strafe der Cassation nicht nur zu erwarten, sondern auch, die Samt-Hospitalien wegen der aufgehenden Alimentations-Kosten schadlos zu halten, ohnfehlbar angehalten werden sollen. Wornach also Jedermann, den es angehet, sich unterthänigst zu achten hat.
Urkundlich Unsrer eigenhändigen Namens-Unterschrift und beygedruckten Fürstlichen Secret-Insiegels. Cassel, den 10. Tag Aprilis 1781.
Friedrich L[andgraf] z[u] Hessen
Vt. v. Wittorff”