Aufnahmereskript – Unterlagen im Zusammenhang mit der beantragten Aufnahme in das Hospital – für Johannes Spamer
„Von Gottes Gnaden Ludwig Landgraf zu Heßen, Fürst zu Herßfeld, Graf zu Catzenelnbogen, Dietz, Ziegenhayn, Nidda, Hanau, Schaumburg, Ysenburg und Büdingen, Ihro Russisch Kayserl. Majestät bestellter General FeldMarschall, des St. Andreas, wie auch des Königl. Preußis. Schwarzen Adler Ordens Ritters p.
Von Gottes Gnaden, Wilhelm Landgraf zu Heßen, Fürst zu Harßfeld, Graf zu Catzenelnbogen, Dietz, Ziegenhayn, Nidda, Schaumburg und Hanau p.p.
Vest und Mannhafter, Lieber Getreuer,
Wir haben in Erwägung der in der Anlage vorgestellt, und durch gehörig beygebrachte Attestata beschienenen Umständen, auf Ansuchen des Schuldieners Spamer zu Hofgarten Ehefrau, gnädigst zugestanden, daß derer in ein
Delirium verfallener Ehemann in Unser dortiges Samthospital
extra ordinem recipirt werde.
Ihr habt Euch also unterthänigst darnach zu achten und wegen deßen Aufnahme, auch Verpflegung und gehöriger Verwahrung das weiter Nötige nach Erfordernis zu verfügen. Und sind in Versehung deßen Euch in Gnaden gewogen.
Datum den 30. Jun. 1789.”
Unterschriften von Ludwig und Wilhelm
Das Schreiben ist an den Samt-Obervorsteher von Stamford adressiert.
Es liegen verschiedene Atteste bei.
1)Auszug aus Taufregister, präsentiert, den 21. April 1789
“Herr Johannes Spamer, bisheriger Schuldiener zu Hopfgarten, ein Sohn des Herrn Jo[hann] Georg Spamers, Rathsverwanden und Tuchmachers zu Schotten, und seiner Ehegattin Katharinen, einer gebornen Hofmannin, ist im Jahr 1758, am 6.ten Decembr[is] geboren und am 7.ten getaufft. Taufpathe ist Herr Johannes Haas, Kirchensenior und Schumacher zu Schotten.
Dieses bescheinigt aus dem Taufregister JELimpert Inspector und erster Pfarrer zu Schotten”
2. Amtsdiener Meyer
„Daß der von hier gebürtige, als Schuldiener zu Hofgarten gestandene Johannes Spamer zwar bey seinen Geschwistern alhier noch gegen Dreysig Gulden Vermögen stehen habe, solche aber theils
inexigibel, über das mit mehrernen Schulden beladen seyen, auch der in Dürftigkeit lebende Vatter Joh[ann] Georg Spamer alhier wohl schwerlich einiges Vermögen hinterlassen werde, wovon dem oben gemeldeten Sohn noch etwas zufallen mögte. Solches wird hierdurch attestirt.
Schotten, d[en] 19.t[en] April 1789
Fürstl[ich] Heß[ischer] Amtsdiener Meyer
P[räsentiert] d. 21. April 1789"
3. Ärztliches Attest von Physicus Dr. Merck
“Die Krankheits und melancholische Umstände des Johannes Spamer, Schulmeister zu Hofgarten, wovon ich schon in einem Attestat berichtet habe, haben bey aller Verordnung von dienlichen Mitteln und gehörigem Verhalten, wie auch, da er bey allen kräftigen Vorstellungen nicht Folge leistete, so zugenommen, daß weiter keine ordentliche Cur statt fande. Weswegen ich dafür halte, daß sein
delirium melancholicum nicht heilbar ist und bey zunehmender Verwirrung des Verstands eine Raserey und daraus allerhand Gefährlichkeiten zu befürchten sind. Solches wird von mir pflichtmäßig attestirt.
Alsfeld, d[en] 21. April 1789
Dr. Merck Physicus”
4. Bericht des Pfarrers
“P[räsentiert] Gießen, d. 25. Mart[ii] 1789"
“Unterthäniger Bericht
den unglücklichen Schuldiener Spamer
zu Hoffgarten betreffendt.
Die Frau des unglücklichen Schuldiener Spamers hat mich gebeten, anliegendes Memorial mit einem unterthänig gehorsamsten Berichte an Ewer Excellenz etc. zu begleiten.
Von Amt und Menschenliebe aufgefordert kan ich mit Wahrheit sagen, daß der Spamer, so lange als ich solchen hier gekant und Umgang mit ihm gehabt habe, ein finsteres, melancholisches Weßen an sich hatte. Eben dieses haben auch alle, welche ihn gekant und gesehen, an ihm bemercket. Und nun seit mehr denn Jahresfrist, bey scheinbarer corperlichen Kranckheit (welche ich für Hypochondrie hielte), offt sichtbare Verwirrungen in seinen Ideen und Handlungen zeigte.
Nach dem, was mir von seiner Lebens Geschichte bekant worden, soll er, von seinem 17.ten Jahre an, da er unter die Soldaten gezogen und des Nachts aus dem Bette geholt wurde (aus Abneigung gegen diesen Stand), ein solch melancholisches Weßen angenommen haben. Und er hat solches auch bis zum Außbruch seines gegenwärtigen bedaurenswürdigen Zustandes nicht abgelegt.
Ob dieser Zustand blos Temperament oder würckl[iche] Melancholie oder eine Folge einer jugendtlichen Erziehung ist mir, da die ersten offenbaren Außbrüche seines Deliriums hefftig waren, bis itzo noch unerklärbar.
Die deßfalßigen Amtskonventsberichte und mein unterthänig gehorsamster Bericht von 16.ten
hujus zeigen, daß man dem Manne bey sein öfteren Excursionen das Schulamt länger nicht alleine anvertrauen kann. Allein wie kan und mag der Unglückliche versorgt werden, da er für sich kein Vermögen hat und Niemand von seiner Verwandtschaft nach ihm fragt oder sich seiner thätig annimt? Sein Bruder, welcher zwar einige Zeit sich hier aufhielte, ist wieder zurück nach Darmstadt zum Regimente. Ewer Excellenz etc. sehen hocherleuchtet ein, daß dem Unglücklichen nicht beßer könne geholfen werden, als wenn er, nach dem
Petito seiner Frau, einstweilen gratis in ein Kloster gebracht würde, biß die Zukunft zeiget, wie es ferner gehen kan. - In dieser Absicht habe auf Begehren der Schulmeisterin das anliegende unterthänigste Memorial nicht nur mit meinem unterthänig gehorsamsten Berichte begleiten, sondern zugleich auch das Petitum der
Supplicantin Ewer Excellenz etc. zur gnädigen und hochgeneigten Willfahrung durch meine geringe Vorbitte unterthänig gehorsamst empfehlen wollen.
Hoffgarten d. 19. Mertz 1789
Ewr. Excellentz etc.
unterthänig gehorsamster
Georg Conrad Daniel Stuckrad Pfarrer”
Aufschrift auf Umschlag:
“An das Hochfürstlich Hessische Consistorium zu Gießen”
„Amtssachen“