Untersuchung eines Apfeldiebstahls durch den Hospitaliten Johann Peter Lange. Befragungen und Zeugenaussagen sowie anschließende strenge Bestrafung Langes, der aus dem Hospital ausgewiesen wird
Aufschrift: „Inquisitionsprotocoll
den Holtzaufsichter Joh[ann] Perter[sic] Lange wegen eines Garthendiebstahls b[etreffend]“
„Actum Haina, d. 15.ten Octobr[is] 1772
Geschahe die Anzeige, daß der gewesene Forstläuffer, nunmehro aber Hospitalit Johann Peter Lange dahier, in des Herrn Obervorsteher und General Major von Haller Hochwohlgeb[oren] so genanten neuen Garten diesen Morgen vor 6 Uhr gewesen und in demselben Obst von denen Bäumen mit einer Stange abgeschlagen.
Eodem [am selben Tag]
Wurde vorbenahmter Lange,
praevia citatione vorgefordert, welcher dann auf Befragen folgendermassen außagte: diesen Morgen 1/4 auf 8 Uhr seye er nach dem Müncheborn gegangen und habe alda zwey Eichfaßer, welche er sich gestern Abend zugedeckt gehabt, abgeholet und solche auch offentlich ins Closter getragen. Keinesweges aber seye wahr, daß er vor 6 Uhr in d[es Herrn] Obervorsteher neuen Garten gewesen und in demselben Obst von denen Bäumen abgeschlagen und entwendet haben solle. Und verlange er dieserthalb seinen Angeber, mit welchem er dieses gantz ungegründete Angeben ausmachen und denselben zum offenbaren Lügner machen wolle. Endete hiermit seine Außage und wurde
praevia praelectione et ratificatione vor dasmalen erlassen,
actum eodem ut supra.
[Vogt Johann Christian] Kuchenbecker“
„Actum Haina, den 20.ten Octob[er] 1772
Nachdem der in hiesigem Hospital bestellte Holtzaufsichter Lange das ihn beschuldigte
Delictum, wie uns dem vom H[errn] Amtsvogt Kuchenbecker verhandelten constiret
, abgeleugnet, und man dahero vor nöthig befunden, den Forstschreibers
Adjunctum Leonhardi zu Löhlbach, welcher selbigen darüber angetroffen, deshalb zu vernehmen. So erschiene dieser auf die geschehene Vorforderung und wurde ermahnet, auf seine dem Hospital geleistete Pflichten wegen dieser Beschuldigung die reine Wahrheit zu sagen, worauf dieser sich heraus ließe. Am verwichenen Donnerstag, des Morgens frühe vor 6 Uhren, seye er benebst des Küchenmeister Möllers Scribent nahmens Gieraud von Herbelhaußen her gekommen. Wie sie nun sich bey den so genanten neuen Garthen genähert, so hätten sie beyde wahrgenommen, daß der vorgedachte Holtzaufsichter mit einer Stange an einem Obstbaum geschlagen, welches, da er den Orth nochmahlen heute in Augenschein genommen, ein Apfellbaum geweßen. Er,
Deponent, habe sofort den Langen zugeruffen, er werde dieses mir, dem Obervorsteher, anzeigen. Dieser aber habe hierauf nicht das geringste geantwort, sondern sich vielmehr gebücket und seye an der Hecke hinaus gegangen. Woher auch er Dep[onent] sich mit dem Gieraud wegbegeben und könne er nicht sagen, ob selbiger Obst mitgenommen, weilen er, als sie weg gegangen, annoch im Garten geweßen,
praevia praelectione et rathihabitatione dismissus.
Continuatum Eod[em]
Ist ebenmäßig des hiesigen Küchenmeister Möllers Scribent, nahmentlich Gieraud, vorgefordert und wegen des begangenen Garthendiebstahls, nachdem selbiger
admonitis admonendis de dicenda veritate, ein Handgelöbnis an Eydes Statt genommen, vernommen worden und sagte hierauf: Er und der Forstschreibers Adjunctus Leonhardi seyen am verwichenen Donnerstag früh morgens vor 6 Uhren von einer Fischerey zurück gekommen. Und habe er, als er sich mit gedachtem Forstschreibers Adjuncto ohnweit des so genannten neuen Garthen niedergesetzet, um die Fische zu zehlen, wahrgenommen, daß jemand in diesem Garthen mit einer Stange an denen Obstbäumen schlage. Sie beyde seyn also darauf zu gegangen und gesehen, daß es der gedachte Lange seye. Obwohlen sie ihme nun zugeruffen, so habe derselbe jedoch keine Antwort von sich gegeben, sondern sich zu verbergen gesucht und seye nach dem Zaun zu gegangen. Ubrigens aber seye ihm nicht wißent, ob er Obst würcklich mit genommen, weilen er, als sie sich wegbegeben, annoch im Garthen gewesen,
praev[ia] prael[ectione] et rathih[abitatione] imp[erio] sil[entio] di[smissus].“
Continuat Haina den 20.ten
ejusd[em]
„Wurde der hiesige Holtzaufsichter Johann Peter Lange vorgefordert und folgendermasen vernommen.
Quaest[io] [Frage]: 1.
Ob er am verwichenen Donnerstag früh morgens vor 6 Uhr aus hiesigem Hospital gegangen?
Re[sponsum] [Antwort]: Er seye am Donnerstag aus dem Closter nach 6 Uhren gegangen und habe zwey des vorigen Tages aufgesuchte, so genante Eichhausen hohlen wollen.
2
Ob er nicht diesen nehmlichen Tag an dem so genannten Neuen Garthen des Morgens vor 6 Uhren geweßen?
Re[sponsum]: Ja, er seye in diesem Garthen und zwar des Morgens nach 6 Uhren geweßen.
3
Was er darinnen gethan?
Re[sponsum]: Er habe an einem Aepfellbaum drey Aepfel abgestoßen, welche aber, weilen ihme zwey Persohnen, so ihme nicht bekannt geweßen, nach der nunmehro eingegangenen Erkundigung aber der Forstschreibers Adjunctus Leonhardi und der Scribent Gieraud seyn, sollen zugeruffen, nicht mitgenommen habe.
4
Ob er nicht auch Birn mit der Stange abgeschlagen habe?
Re[sponsum]: Nein.
5
Was ihn darzu bewogen daß er in diesen Garthen gegangen und Aepfel abgeschlagen habe?
Re[sponsum]: Bey Vorbeygehung habe er diese Aepfell hängen sehen und geglaubet, daß es nichts zu bedeuten habe, wenn er die Aepfell abmachen werde.
6
Warum er dieses bey dem Amte vorhero nicht gesagt, sondern sich vielmehr auf das Leugnen gelegt habe?
Re[sponsum]: Er müße bekennen, daß er durch das Leugnen bey Amte geglaubet, diese Sache nicht allzu schlimm zu machen, nunmehro aber wolle er, wie schon ad Protocollum gegeben, mit der reinen Wahrheit herausgehen.
7
Warum er dem Forstschreibers Adjuncto und Scribent Gieraud auf das geschehene Zuruffen keine Antwort ertheilt, sondern sich zu verbergen gesucht?
Re[sponsum]: Weilen er selbige nicht erkannt gehabt.
8
Ob ihme nicht bewust, daß die Garthendiebstähle noch neuerlich zu hart verbotten?
Re[sponsum]: Die ergangene Verordnung seye ihme nicht bekannt.
Beym Schluß stelte der
Denunciat Lange vor: Er sehe gar wohl ein, daß er sich sehr vergangen und durch den Satan verleiden laßen. Er wolle dahero gebethen haben, besonders in Erwegung seiner und seiner Frauen Umständen, welche sich gegenwärtig in einer gar betrübten Zustände befände und befürchten müße, daß sie annoch in einem viel schlimmeren gerathe, ihn nicht mit einer allzu harten Straffe zu belegen, indeme er sein Verbrechen von Hertzen bereue.
Bescheid
In Denunciations Sachen p.p.
Wird auf das
hinc inde Verhandelte erkant, daß Denunciat Johann Peter Lange, der ihme wegen des vor einiger Zeit allhier angelegt geweßenen Holtzmagatzins übertragenen Aufsicht, weshalben er ohnehin lange Jahre keine Verrichtung gehabt, wegen der ihme zu Schulden gekommenen Vergehung nunmehro völlig zu entsetzen und dabey anzuweißen seye, binnen 48 Stunden das Hospital zu räumen.
Wie ich der zeitige Obervorsteher dann vorstehendermaßen erkenne und anweiße.
Haina, den 27.ten Octobr[is] 1772, publ[iziert] d[en] 30. Octobr[is] 1772
A. von Haller“